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AutorenbildThomas von Krafft

17. März 2024: Jenkins erklingt - Babenhausen jubelt!

Station Nr. 2 der musikalischen Friedenstournee der Chöre Liedertafel Babenhausen, Schwäbische Chorgemeinschaft Ichenhausen und Mozartchor Augsburg unter der Leitung von Daniel Böhm: Karl Jenkins, Mass for Peace, Babenhausen, Kirche St.-Andreas, 17.00 Uhr.

Eine kleine Reise hinter die Kulissen eines Großprojekts.




Dreamteam "Podest"


Die Kirche St.-Andreas ist schön und groß, aber: Wie schafft man Platz für ca. 100 Beteiligte (oder mehr)? An die 80 Chorsängerinnen und Chorsänger wollen und sollen gesehen werden, müssen den Dirigenten sehen, bequem stehen, in die Noten schauen können. Das Orchester braucht Raum für Musikerinnen und Musiker mit all ihren Instrumenten, Geigen, Celli, Kontrabässe, Trompeten und Hörner, und vor allem ein riesiges Arsenal an Schlagwerk, Percussion und Soundtools, darunter mehrere Pauken, Röhrenglocken und so genannte Rainmaker, denn es musste zwischendrin auch mal regnen (da ahnt man schon, was das für ein Werk ist). Eine zusätzliche kleine Bühne wird gebraucht vor dem Podest für die Solisten, ein Podest für den Dirigenten, und das alles stabil, sicher und schön anzuschauen!


Wo fängt man da an? So etwas in der Größenordnung gibt es nur selten, hat es vielleicht überhaupt noch nie gegeben! Niemand hat hier Routine und Erfahrung. Man begann schließlich mit einer professionellen, maßstabsgetreuen Zeichnung des Altarraums und der Apsis. Da sollte nämlich alles untergebracht werden.


Was soll man sagen: Natürlich haben sie es geschafft! Ein unglaublich engagiertes und kompetentes Team hat eine schöne (die vielleicht allerschönste, überhaupt, aller Zeiten) Bühne gezaubert. Es wirkte für die, die sie einfach nur fertig gesehen haben, wie Zauberei. Nur die Erbauer wussten, wie viel dafür geschleppt, gemessen, geschraubt, getüftelt, gestückelt und geschmückt werden musste.


Bei Nacht und Nebel, im Morgengrauen, im letzten Abendlicht, in eisigen Höhen, in dunklen Tiefen, in den abgelegensten Tälern, in gefährlichen Vierteln, auf Gipfeln und in Wipfeln, auf hoher See, in reißenden Flüssen, unter wilden Tieren, in Sturm und Kälte, in Galaxien, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat (ja, gut, das ist jetzt alles etwas übertrieben, aber vieles davon stimmt) haben tatkräftige Frauen und Männer ein wunderschönes Podest für über 100 (hundert!) Musikerinnen und Musiker gebaut. Ohne dieses Engagement wäre das Konzert nicht möglich gewesen. Respekt!

Hier ein paar Impressionen, um diese vermeintliche "Nebensache" zu würdigen.



Und hier das fertige Werk, das so luftig und leicht und maßgeschneidert wirkt, als wäre es fester Bestandteil der Kirche:




Konzert


Alles Gute kommt von oben - in unserem Fall Licht und Orgelmusik. Alles muss vorbereitet werden. Wann strahlt welches Licht wohin? Wie lange? Wann genau soll es dunkel werden? Wo setzt die Orgel ein? Wo wird abgesetzt? Wo warte ich auf ein Zeichen? Wie schnell spielen die Trompeter da? Ob auch ein leiseres Register geht? Ja, klar!


Vorbereitung/Stellprobe: Wer? Wo? Wie? Ja, da bin ich ja noch nie gestanden!

Man ahnt es: Bis alle ihren Platz gefunden haben, bis die Instrumente stehen, bis die Wege definiert und frei sind, bis Ab- und Aufgang geklärt, Sichtachsen hergestellt sind, dauert es. Und manches Ungewohnte stößt nicht auf Begeisterung: "Aber ich steh' sonst immer neben der ..." "Ruhe jetzt!"

Aber irgendwann passt es, sieht grandios aus und es kann losgehen. Einsätze werden nochmal geprobt, ebenso wie Übergänge, Wechsel und Lautstärken, Tutti und Soli, Piano und Forte, Pauken und Trompeten, Pronunziato und Prosciutto, Cello und Labello, alles, was so dazugehört.



Auftritt

Für alle, die keine "Insider" sind, ist es vielleicht überraschend, wie viel Aufwand es ist, so ein Konzert in diesen Dimensionen auf die Beine zu stellen. Wenn am Ende alles wie aus einem Guss wirkt, leicht und selbstverständlich und organisiert, dann stecken da einige Wochen der Vorbereitung drin, von verschiedenen Teams, Laien und Profis, Experten und Praktikanten, Vorarbeitern und Zuarbeitern (siehe Dreamteam "Podest").


Aber dann ist es irgendwann so weit, Chor und Orchester sind verschwunden, Taschen, Mäntel und Geigenkästen weggeräumt. Die Leute kommen und suchen sich Plätze, die Reihen füllen sich, Gemurmel, man grüßt sich. Wo sitzt die Prominenz? Ist die Fürstin schon da? Hey, den habe ich doch kürzlich in einer Talkshow gesehen! Ist das nicht dieser Babenhausener Künstler?

Nur das Orchester ist bisher zu sehen. Wenn die letzten Gäste einen Platz gefunden haben (gar nicht mehr so leicht!), dann öffnen sich die Türen erneut. Erst hinten, wo es niemand vermutet, da, wo auch die Gäste hereinkamen. Die Männer des Chores treten ein, begleitet von zwei Trommlern, alle sehr ernst. Später werden sie zu militärischem Kriegsgetrommel einmarschieren. So beginnt das Werk. Man schaut und schweigt. Kaum ist dieses erste kleine Highlight vorbei, kommen die Frauen (natürlich eine Steigerung!). Aber sie treten durch die Sakristei ein, ganz vorne, gehen direkt auf die Bühne, nehmen schweigend ihre Plätze ein. Verhaltenes Klatschen. Die Spannung steigt. Was passiert als nächstes?


In dieses vielhundertfache, neugierige Schweigen und Warten und Erwarten tritt der Meister, der Maestro des Abends, Daniel Böhm. Man muss sich das einmal vorstellen. Da gibt es eine Besprechung, irgendwann, irgendwo, bei der diese Idee entsteht. "Was machen wir als nächstes?" Grübel, grübel, diskutier, diskutier. Und nach einigem Hin und Her: "Da gibt es so ein Werk von Karl Jenkins, ein Wahnsinnsding. Dafür müssten wir alle Kräfte bündeln." Allen ist klar, das geht nur in einer Kooperation mehrerer Chöre, Orchester, Solistinnen und Solisten, und, und, und. Aber in diesem Moment ist auch klar, dass die Flamme entzündet ist und nicht mehr ausgeht. Ein Projekt ist geboren.

Von diesem ersten Funken bis zu dem Augenblick, an dem es losgeht, heute, hier, jetzt, wo Daniel auf sein Podest zugeht, waren es 10000 Schritte, und ebenso viele sind jetzt noch zu beachten beim Auftritt, und ebenso vieles kann noch schiefgehen. All die Spannungen und Streitereien, die misslungenen Proben, der Frust, die Zweifel, die Erschöpfung, der Aufwand, die immensen Kosten, und alle weiteren Hürden, die genommen werden mussten, sind nicht vergessen.

Ebenso wenig aber auch das Schöne, die guten Momente beim Üben, wo man gehört hat, wie es klingen soll, die Proben, in denen man zusammengewachsen ist als Gemeinschaft, das Planen, das Organisieren, die Gaudi, das Kennenlernen neuer Sängerinnen und Sänger, die wohlige Aufregung, die Vorfreude, das Kribbeln.


Es gibt nun mal einen, der bei einem solchen Projekt im Zentrum steht, und das war hier in Babenhausen Daniel Böhm. Es versteht sich von selbst, dass ohne all die vielen fleißigen Helfer nichts gegangen wäre, aber einer steht im Auge des Hurricanes (unser Harry Kane so zu sagen), einen trifft es am härtesten und brutalsten, wenn es ein Disaster wird. Diese ganze tonnenschwere Verantwortung klettert mit Daniel aufs Podest in diesem Moment.

Aber er sagt nur lächelnd: "Herzlich Willkommen, liebes Publikum, schön, dass Sie so zahlreich erschienen sind!" Und dann ist es wie immer: Daniel, in seinem Element, erzählt von einem wunderbaren Projekt des Friedens und der Versöhnung, und von Karl Jenkins, der uns ein fantastisches Werk geschenkt hat. Und dass wir das jetzt gemeinsam erleben dürfen. Und die Partygäste vergessen Zeit und Raum und genießen einfach die nächsten zwei Stunden.


Bilder sagen auch hier noch mehr. Impressionen aus dem Konzert, von der Einführung durch Daniel Böhm bis zu den Standing Ovations am Ende. Es sind auch einige Bilder aus der Künstlerperspektive dabei.




Botschaft


Ach, hätte doch die Welt an diesem Abend auf Babenhausen geschaut und gehört! Viele, vielleicht alle Krisen, Konflikte und Kriege unserer Tage hätten sich in Luft aufgelöst. Denn die Friedensbotschaft dieser Kulturveranstaltung war stark und eindeutig. Nie wieder! Schluss damit! Reicht euch die Hände!

Alle konnten es spüren, alle haben sich mitreißen lassen! Und alle konnten sich an diesem Abend einen Frieden vorstellen, universell und ehrlich, dauerhaft und vorbehaltlos. Am eindrücklichsten: Die Christin, der Jude und der Moslem standen am Ende unter tosendem Applaus Arm in Arm auf der Bühne, lächelnd und berührt, einfach so, als wäre es nichts. Und es war doch so viel. Vielleicht alles, was diese Welt im Moment bräuchte.



Resonanz


Die Resonanz der Menschen, die dabei sein durften, war überwältigend. Niemand, der nicht bewegt und berührt war von der Musik und der Botschaft. Und es war gewiss ein Wechselbad der Gefühle, kein Trullala-Wohlfühlabend zum Zurücklehnen. Alle im Kirchenraum mussten auch etwas aushalten, vom wilden Kriegsgeschrei bis zu schauerlichem Wehklagen, von der unaussprechlichen Verzweiflung bis zu ohrenbetäubenden Paukenschlägen. Karl Jenkins führt brutal vor

Augen, was Krieg bedeutet, immer bedeutet, und hinterlässt, ausnahmslos hinterlässt. Aber er nimmt uns am Ende so zu sagen musikalisch in den Arm und tröstet uns auf unnachahmliche Weise mit himmlischen Klängen. Es gibt für uns Vortragende nichts Schöneres, als zu erfahren, dass die Leute es verstanden und gefühlt und erlebt haben, was das Werk auszudrücken beabsichtigt. Wir sind sicher, dass dieser magische Abend für alle, die dabei waren, unvergesslich bleibt.


Bleibt uns gewogen und informiert euch gerne regelmäßig auf der Internetseite www.liedertafel-babenhausen.de, was wir so anbieten. Wir freuen uns auch jederzeit über Nachrichten, Anregungen, Kritik (ja, die auch) und Fragen unter kontakt@liedertafel-babenhausen.de.

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